Letztes Wochenende hatte Jay
(Jan-Philipp) Geburtstag. Dafür sind er und Anna extra 6 Stunden mit
dem Bus über Stock und Stein von Ccapi nach Cusco gefahren. Passend
als Geschenk gabs dann die Ccapi-Survival-Box, mit allem, was man in
Ccapi nicht so einfach findet, also Klopapier, ein Buch und natürlich
Sublime, die wahrscheinlich beste Schokolade der Welt. Ccapi ist ein
kleines Dorf, Luftlinie nur knapp 35km von Cusco entfernt. Der Weg
dahin ist allerdings so kurvig und schlecht ausgebaut, dass die Fahrt
ohne Zwischenfälle 6 Stunden dauert. Anna und Jay wohnen dort auch
in einer Familie und unterrichten an den Schulen dort. Und auch wenn
es auf den Bildern, die die beiden uns gezeigt haben wirklich
traumhaft schön dort ist und auch die Lehrer und Schüler froh über
den Besuch aus Deutschland sind, war es traurig, dass wir dann für
die nächsten 2 Wochen nur noch zu sechst sind. Der Geburtstag wurde
dann annlassgemäß in Cusco gefeiert und am nächsten Tag gabs das
leckerste Frühstück seit unsrer Ankunft hier mit ECHTEN, KNACKIGEN
Brötchen und frisch gepressten Säften.
Schon am Sonntag Abend gings mir nicht
so gut und die ganze Nacht über hatte ich Schüttelfrost und ein
bisschen Fieber. Nach einem Tag im Bett war ich dann am Dienstag
wieder einigermaßen fit und in Lucre war an der Primaria der Dia de
los alumnos, also der Tag der Schüler. Vormittags gabs ein Programm
von den Lehrern für die Schüler mit Tänzen und Spielen und wir
haben auch ein deutsches Lied mit Gitarre und Geige gesungen. Danach
wurde noch in den Klassenzimmern weitergefeiert, jede Klasse hatte
ihre eigenen Boxen mit Musik, jede menge Popcorn, Keksen, Torten,
Chicha morrada, ein supersüßes, lilanes Getränk aus Mais und jede
Menge anderen Süßkram, von dem wir natürlich überall probieren
mussten. Dazu wurde getanzt und gelacht, bis wir endlich in allen
Klassen waren, pappsatt und völlig überzuckert. Das war dann doch
etwas zu viel für meinen Magen, am Mittwoch lag ich wieder den
ganzen Tag im Bett, bis die Bauchkrämpfe so schlimm wurden, dass ich
Nachmittags ins Krankenhaus nach Cusco gefahren bin. Die haben dann
ziemlich schnell Salmonellen und Amöben festgestellt, die jetzt nach
3 Nächten im 5 Sterne Zimmer der clinica san jose, Antibiotika und
Antiparasitenmedikamenten hoffentlich alle weg sind :) Auf jeden
Fall geht’s mir wieder gut und nach einem entspannten Wochenende zu
Hause bin ich morgen wieder Top-fit für den Unterricht. Ich hatte
zwar ab Donnerstag Gesellschaft im Krankenhaus, da es Malu genau so
ging wie mir und wir die letzten beiden Nächten beide an Schläuche
angeschlossen im selben Zimmer lagen, trotzdem war ich riesig froh,
als ich am Samstag Abend an der paradero Tipon aussteigen und mich
über Baustelle und Steine wieder auf den Weg zu unserem Haus machen
konnte, wo mir unser Hund schon freudig entgegenrannte. Ich war
richtig glücklich, von dem Zimmer mit richtigem Fußboden, weichem
Bett und fließendem Wasser weg zu sein. Dafür hatte ich wieder
unsere gemütliche Küche, mit dem leckeren Essen von Marisa, das um
weiten besser ist, als das Krankenhausessen, eine Matratze, durch die
man den Lattenrost spürt, eine Tonne mit Wasser und Eimer vor der
Toilette, dass man spülen kann und den unendlichen Sternenhimmel
beim Zähneputzen direkt über mir. Ich war wieder zu Hause.
Was es sonst noch so zu erzählen gibt:
Wir treffen uns jetzt jeden Mittwoch
alle zusammen in Lucre zu einer kleinen Besprechung. Neben den
Englischstunden an den Schulen wollen wir hier nämlich noch
verschieden Projekte starten, ähnlich wie in China, wo es im Rahmen
des Baushausprojekts Kleidercontainer oder Hygieneprojekte gibt. Wir
planen zum Beispiel eine Abendschule für Erwachsene, oder Kinder,
die an ihrer Schule kein Englischunterricht bekommen können, eine
Fußball AG in Lucre, Zahnbürsten für die Schule in Patabamba und
verschiedene Projekttage an den Schulen, zum Beispiel zum Thema Müll,
denn hier gibt es quasi keine Mülleimer, der Müll wird einfach in
den Graben geworfen und dort liegen gelassen oder irgendwann
angezündet.
Außerdem sind hier bald Wahlen, also
am 5. Oktober. In ganz Peru werden neue Bürgermeister für die
einzelnen Distrikte, Provinzen und Regionen gewählt. Und da jeder
Peruaner, der nicht wählen geht eine Strafe bezahlen muss, ist das
hier ein richtiges Großereignis. Jedes zweite Haus, jede zweite Wand
in der Stadt und auch im entlegensten Teil des Dorfes ist mit den
Symbolen der verschiedenen Parteien und den Namen der Kandidaten
bemalt. Die Partei APU hat als Zeichen einen rot-weißen Fußball,
der überall zu sehen und auch im Radio beworben ist (marca el
pelotita de APU) und auch unser Gastbruder Bladi hat ganz stolz
erzählt, dass seine Schule vom Bürgermeister DEN APU-Fußball
geschenkt bekommen hat. Und einen Computer. APU ist hier eine
ziemlich große Partei, von der man sehr viel sieht und hört, jeder
zweite Satz im Radio scheint „APU un sentimiento que nos une“ zu
sein. Dann gibt es zum Beispiel noch die Somos Peru Partei, deren
Zeichen ein Herz,in dem Somos Peru, also das Somos Peru-Herz ist.
Dann gibt es noch eine Alpacka-Partei (Ayllu) weswegen hier auch
einige Häuser mit Bildern von Alpackas bemalt sind und Kausachun,
deren Zeichen ein Mann mit Mütze ist und ewig viele andere. Dann
gibt es überall große Plakate mit eher unvorteilhaften Bildern von
Menschen, die alle alcalde, also Bürgermeister werden wollen.
Ständig fahren Autos mit Fahnen und Megaphon an uns vorbei, die die
gesamte Straße mit „por el cambio con APU“-Rufen beschallen oder
eine der Wahlsongs abspielen. Wenn man nicht hinhört hören sich die
Lieder wie „normale“ Radiomusik an, wenn man auf den Text hört
geht es aber immer wieder um nuestro Cusco und irgendeine Partei, die
hier alles zum besten wenden wird. In der Stadt und auch in den
Dörfern gibt es dann auch immer wieder Wahlumzüge, in denen
Menschen in T-shirts der Kandidaten, Fahnen, Trommeln und
Lautsprechern Werbung für eine Partei machen. Ich habe in Cusco
jetzt auch schon des öfteren Zimmer an der Straße gesehen, an
dessen Wand eine große Fahne einer Partei hing und vorne dran
einfach ein Tisch und ein paar Menschen standen. Vielleicht so eine
Art Infopoint, aber so genau weiß ich das auch nicht. Es gibt also
dank der Wahlen immer etwas zu sehen, wobei es schon ein wenig nervt,
wenn man den ganzen Morgen nur mit Wahlwerbungsliedern und Reden der
Kandidaten zugeschallt wird. ;)
Letzte Woche war ich mit unserer
Gastmutter in der Pampa, bei unseren Bacas, also auf der Wiese mit
unseren Ochsen. Die arbeiten entweder auf dem Feld oder sind eben in
der Pampa und essen. Wir haben sie dann dort von den Stricken
abgemacht, dass sie noch eine Weile zu dem guten Futter konnten und
saßen zusammen mit Bebe unserem Hund, (eigentlich heißt der Domio,
aber sie nennt ihn immer Bebe) auf der Wiese, zugedeckt mit einem
Manta, das ist das bunte Tuch, dass jede peruanische Frau besitzt um
Waren, Werkzeuge, Kinder oder auch alles andere auf dem Rücken zu
transportieren, es hat nämlich geregnet. Dann saßen wir da, haben
geredet, die Sonne ging langsam unter, wir haben Bebe von ein paar
Zecken befreit und alles war irgendwie so friedlich und richtig.
Später haben wir dann die trockenen Kuhfladen eingesammelt, die kann
man nämlich super zum Kochen anbrennen und die Bacas durch das Dorf
nach Hause getrieben. Und auch wenn alle anderen Menschen etwas
komisch geschaut haben, dass ein Gringo hinter den Bacas herläuft,
habe ich mich richtig gut dabei gefühlt, so ein bisschen peruanisch
:)
Auch wenn das Leben in der Familie
manchmal anstrengend ist, weil man morgens früh geweckt wird, zum
Mittagessen zu Hause sein muss und immer sagen muss, wohin man geht
und wann man wiederkommt, bin ich total froh in einer Familie zu
wohnen. Im Gegensatz zu Freiwilligen, die in einer eigenen Wohnung
leben, bekommen wir hier nämlich das „echte peruanische Leben“
hautnah mit. Niemand verstellt sich, sie leben einfach so, wie sie es
normalerweise auch tun würden.
Wir essen das selbe Essen, duschen
unter der selben kalten Dusche und liegen in den selben Betten.
Unsere Gastmutter spricht auch noch Quechua, die alte Sprach der
Inka, für uns ist das aber quasi unlernbar. Es hört sich an wie
irgendwelche Wörter mit ganz vielen krks wahlos aneinandergereit.
Wenn jemand fragt, ob wir Quechua sprechen, können wir aber immerhin
mana (nein), oder ari (ja) sagen. Und nachdem ich es einen Monat oft
abends gehört habe, kann ich mir auch endlich merken, was bis morgen
heißt, nämlich pacarincarma. Zumindest wird es so oder so ähnlich
ausgesprochen. :)
Eine Neuigkeit gibt’s noch! Unsere
geliebte Gattito, die in letzter Zeit eher den Namen Gordito verdient
hat (Gatto- Katze; Gordo-dick) hat vier kleine Gattitos zur Welt
gebracht! Sie sind noch winzig klein, haben die Augen, liegen die
ganze Zeit dicht aneinandergekuschelt in einer Ecke und geben ab und
zu mal fiebsige Geräusche von sich. :)
Seit heute haben wir auch ein neues
Gallina also ein Huhn bei uns rumlaufen, aber wahrscheinlich dauert
es nicht sehr lange, dann wird die Hälfte an der Wand in der Küche
hängen und die andere Hälfte im Suppentopf, es ist nämlich schon
ziemlich groß und dick. Seit wir hier sind mussten schon ein Hahn,
ein Huhn und ein kleines Schweinchen sterben, das eines morgens mit
offener Kehle von unserer Gastmutter vor der Küche enthaart und
später im Cuyofen für die ganze Familie, gebraten wurde.