Montag, 3. November 2014

Schule in Peru aus meiner Sicht

Angestachelt von Fred, der auf seinem Blog mehr über das schreibt, was hier anders ist, als in Deutschland oder Europa und was er darüber denkt, muss ich jetzt auch mal meine Gedanken dazu loswerden. Ich fange mal bei der Schule an, weil das das ist, was ich jeden Tag mitbekomme und worüber ich mir auch schon einige Gedanken gemacht habe. Laut PISA-Studie ist Peru das Land, in dem die Schüler in allen getesteten Kompetenzbereichen insgesamt am schlechtesten von allen getesteten Ländern abgeschnitten haben. Glaubt man der Studie, ist Peru also das Land mit der niedrigsten Bildung. Wieso ist das so? Ich kann natürlich keine Verallgemeinerungen treffen und auch nur das wiedergeben, was ich beobachte und das ist die Masse mehrerer Einzelfälle, also ist das auch meine Wahrnehmung und Meinung und hat keinen Allgemeinheitsanspruch. In meiner Familie kann ich beobachten, dass es den Erwachsenen durchaus bewusst ist, dass es wichtig ist, in die Schule zu gehen, zu lernen, gute Noten zu schreiben und später mal zu studieren, um einen guten Arbeitsplatz zu bekommen und Geld zu verdienen. Das merke ich sowohl bei meiner Mutter, die Bladi öfter mal zusammenstaucht, wenn er eine schlechte Note hat und ihn fragt, was aus ihm werden soll. Außerdem geht er jeden Nachmittag nach der Schule ins Chicolationo so eine Art kostenlose Nachmittagsbetreuung in Tipon, in der man seine Hausaufgaben machen kann. Dorthin gehen auch unsere zwei Cousains Carlos und Brandon (er ist ungefähr im selben Alter wie Bladi, also etwa 11), und auch wenn Brandons Eltern bei uns sind merkt man, dass es ihnen wichtig ist, dass er immer seine Hausaufgaben macht und später mal auf eine gute Segundaria und Uni geht, so wie sein älterer Bruder Marco. Wir leben hier auf dem Dorf, wo die Verhältnisse natürlich nochmal komplett anders sind, als in der Stadt, aber ich schließe daraus, dass in den Familien, sicher nicht in allen, beispielsweise in Patabamba, dem Bergdorf, in dem Malu und Fred unterrichten ist das sicherlich anders, aber es gibt durchaus Familien, denen bewusst ist, wie wichtig Bildung ist, die ihre Kinder in die Schule und zur Nachhilfe stecken. Auch im Unterricht merkt man, dass nicht mehr Kinder fehlen, als bei uns, die Kinder also auch zur Schule gehen. Trotzdem hat beispielsweise unser Bruder und er ist inzwischen in der 6. Klasse, aber auch einige Schüler in den Klassen, die ich unterrichte Probleme 8-1 zu rechnen und müssen einfachste Rechenaufgaben, die man bei uns ab der 3. Klasse einfach rechnen kann, an den Händen abzählen. Auch im Englischheft von Bladi stehen irgendwelche grammatikalischen Dinge, oft auch noch falsch, dabei kann er nicht mal sagen, wie er heißt, oder wie alt er ist. Wenn wir ihm manchmal bei seinen Mathehausaufgaben helfen, merkt man ganz deutlich, dass er in der Schule zwar alle möglichen Dinge aufschreibt und „lernt“, davon aber eigentlich fast gar nichts versteht, also irgendwie auch wieder nicht lernt. Ich denke, dass der Englischunterricht vielleicht auch oft so schleppend voran geht, weil bei vielen einfach das Verständnis für das fehlt, was wir ihnen beibringen wollen. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, also Schüler, die sofort verstehen, wie etwas geht und die Logik hinter der Sprache entdecken, während ich von anderen den Eindruck habe, ich würde sich durchgehend mit irgendeiner Geheimsprache zureden, von der sie gar nichts verstehen können.
Also meine Schlussfolgerung ist, dass es zwar Schulen, Lehrer, Unterricht und Schüler, die in die Schulen gehen gibt, diese dort aber viel von dem, was sie dort lernen sollten nicht verstehen und somit eher wenig wirklich mitnehmen. Ich glaube aber auch, dass das vor allem auf den Dörfern so ist. Wir haben auch eine Segundaria in Cusco an der Sinje und Fred „unterrichten“, dort ist die Lehrerin sehr kompetent und man kann sich mit den Schülern auf Englisch unterhalten, also eine ganz andere Welt, als in den anderen Schulen, an denen wir unterrichten.
Das Schulsystem ist hier übrigens überall gleich, nach 6 Jahren Primaria folgen 5 Jahre Segundaria, danach kann man dann studieren, wenn man gut genug war. Sicherlich gibt es aber auch Unterschiede von den Segundarias her, und die besonders guten Schüler, deren Familien dahinterher sind und die es sich leisten können fahren dann jeden Tag nach Cusco auf eine Schule.
Meine Überlegung war, dass es in Deutschland vielleicht anders ist, weil nach der 4. Klasse ausgewählt wird, wer auf welche Schule geht und somit auch wer mit wem lernt. Inzwischen glaube ich aber, dass es nicht nur das sein kann. Entweder es fehlt die Unterstützung von zu Hause, die zumindest einige in Deutschland bekommen, da unsere Mutter auch nichts von dem versteht, was Bladi in der Schule lernt und ihm nicht helfen kann. Vor der Schulzeit gibt es hier auch Kindergarten, allerdings weiß ich nicht, inwiefern diese sich der kognitiven Entwicklung der Kinder widmen. Wenn dort auch schon mit dem Schlagstock für Ordnung gesorgt wird, kann es natürlich auch damit zusammenhängen, dass sich die Kinder anders entwickeln, als in Ländern, in denen das nicht so ist. Also ich letztens meiner 6. Klasse erklärt habe, dass es in Deutschland gar nicht erlaubt ist Kinder oder Schüler, oder irgendwen zu schlagen, nachdem ich von einem Schüler aufgefordert wurde einen anderen zu schlagen und gefragt wurde, wieso ich das nicht will, haben alle ziemlich unverständlich und verdutzt geschaut.
Dann kann es auch noch am Lehrplan, bzw. an den Lehrern, also an der Umsetzung des Lehrplans und der „pädagogischen Erziehung“ liegen, dass Peru so ein Defizit, was Bildung, zumindest in dem Sinne, in der sie in der PISA-Studie getestet wird, ausweist. Ich habe viele Lehrer kennengelernt, die uns gegenüber total freundlich und nett sind, ihre Schüler dann aber durchgängig anschreien müssen, um sie einigermaßen ruhig zu halten. Beim Unterricht in meiner 6. Klasse mussten in einer Stunde mindestens 6 Kinder aus einer anderen Klasse mit dem Kopf zur Wand und den Händen hinter dem Kopf die komplette Stunde lang stehen und die letzten 5 Minuten auch noch auf einem Bein, weil sie in ihrer Klasse angeblich gespielt haben, statt im Unterricht mitzumachen. Ich hab in meiner Schulzeit zwar auch Lehrer kennengelernt, die ich nicht unbedingt als pädagogisch begabt bezeichnen würde, aber soweit ich mich erinnere wurde niemand geschlagen, irgendwie anders körperlich bestraft oder so oft angeschrien, wie das hier der Fall ist. Allerdings kann man auch den Lehrern keinen direkten Vorwurf machen, weil diese Erziehungsmethoden eben die sind, die sie früher auch vorgelebt und beigebracht bekommen haben und jetzt eben ihren Kindern und Schülern vorleben. Zu dem Unterricht kann ich eigentlich nichts sagen, da ich noch keine Schulstunde eines peruanischen Lehrers gesehen habe. Trotzdem finde ich, dass die Schüler ein gutes Verhältnis zu ihren Lehrern haben und manche beispielsweise jeden Morgen mit einer Umarmung begrüßen und auch wir immer wenn wir ins Klassenzimmer kommen, oder am gehen sind umarmt werden. Es scheint also eine Mischung aus Respekts-, Ansprech- und Vertrauensperson zu sein, was einen Lehrer hier ausmacht. Dass die Kinder hier von vielen Lehrern geschlagen werden, macht es für uns auch nicht einfacher uns Respekt zu verschaffen, da sie inzwischen gemerkt haben sollten, dass wir das nicht machen und dann natürlich ihre Grenzen austesten wollen, wenn sie nicht mit einem Schlagstock in Zaum gehalten werden.
Das gute und angenehme Schulklima, das Bewusstsein in der Bevölkerung, wie wichtig Bildung ist und die Tatsache, dass sich immer alles verändert und weiterentwickelt, lässt mich optimistisch bleiben und ich denke, dass sich Peru in einigen, vielleicht auch ein paar mehr Jahren, wenn es denn überhaupt sein Ziel ist, was Bildung betrifft, an die Standards der Länder orientieren und eines Tages vielleicht sogar angleichen kann, die in der PISA-Studie weiter oben stehen, wobei man natürlich auch im Hinterkopf behalten muss, dass diese auch nicht stillstehen, sonder sich weiterentwickeln werden.

Soviel zu meinen Gedanken zu Schule in Peru, zumindest zu dem, was ich bis jetzt mitbekommen durfte. Auf jeden Fall bin ich froh, diese Einblicke zu bekommen, auch mit Hinblick auf das deutsche Schulsystem, über das ich mich an derer Stelle gerne nochmal auslassen könnte :)

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